Vor dem Landgericht Frankfurt klagte eine Person mit nonbinärer Geschlechtsidentifikation, da ihr beim Fahrkartenkauf nur die Optionen „Mann“ und „Frau“ angeboten wurden. Das Gericht gab der Klage in Teilen statt und stellte eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klagenden fest.
Der standesamtliche Sammelbegriff „divers“ ist im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) offiziell anerkannt und kann als Geschlechtseintrag im Personalausweis angegeben werden. Insofern haben wir ein solides Begründungsgerüst für die Umstellung unserer Formulare.
Das Anrede-Feld als Dropdown mit zwei Optionen findet in vielen Formularen noch Gebrauch. Bei Newsletter-Anmeldungen dient es vor allem der personalisierten Anrede: „Sehr geehrte Frau Mustermann / Sehr geehrter Herr Mustermann“. Bei Adressformularen von Online-Shops dient es der Anrede bei Dialogmails (z.B. Transaktionsbestätigung oder Versandbestätigung) oder auch für die Adresse auf dem Versandaufkleber selbst.
Dabei stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unmissverständlich fest, dass keine Geschlechtsidentitäten diskriminiert werden dürfen - auch nicht die von inter* und trans* Personen. Und auch der EU Accessibility Act hat das erklärte Ziel, jegliche Barrieren in der Geschäftswelt zu überwinden und auch die Erreichbarkeit für diverse Gender zu verbessern.
Für die Conversion-Optimierung steht im Vordergrund, möglichst viele erfolgreiche Formularübermittlungen zu erzielen – daher ist die Best Practice hier, auf alle nicht-essentiellen Felder zu verzichten – im Falle einer Newsletter-Registrierung reicht hierfür prinzipiell schon einzig die E-Mail-Adresse aus.
Möchtet ihr dieses Mittel aber auch zur Lead-Generierung nutzen, dann sind Informationen wie Name, Anrede, Firma, Telefonnummer usw. unter Umständen von hoher Wichtigkeit. Auch die personalisierte Anrede in Newslettern ist seit Ewigkeiten Standard – deshalb scheint es auf den ersten Blick abwegig, nun wieder darauf zu verzichten.
Aus Sicht des nutzerzentrierten Designs sollten zudem die Bedürfnisse der Nutzer:innen jeglichen Geschlechts beachtet werden: fühlen sie sich abgeholt und durch ein diverses Anredefeld ausreichend repräsentiert?
Die Antwort: Es ist kompliziert. Wie immer gibt es mehrere Herangehensweisen und es kommt auf den Kontext an.
Am Einfachsten erscheint es, dem klassischen Dropdown die dritte Option „divers“ hinzuzufügen. Aber das bringt Schwierigkeiten mit sich, denn „divers“ ist lediglich ein Sammelbegriff und nicht geeignet, um eine Person damit anzusprechen. Insofern ist diese Information als Anrede nicht zu gebrauchen.
Aber: Diese Variante kann sinnvoll sein, wenn es nicht um die Anrede, sondern tatsächlich um das Geschlecht geht. Ein (zugegebenermaßen konstruiertes) Beispiel wäre die Online-Anmeldung für einen Saunabesuch.
Eine weitere Möglichkeit wäre, das Anrede-Feld als Freitextfeld auszuführen. Hiermit wäre grundsätzlich jedem Genüge getan – allerdings gebt ihr damit ein wenig Kontrolle ab, denn es können Schreibfehler oder inkonsistente Schreibweisen für merkwürdige Ergebnisse bei späterer Weiterverwendung sorgen (oder aufwendige manuelle Korrekturen anfallen).
Die dritte Option dürfte jede:jedem Conversion-Optimierer:in gefallen: Man lässt das Anredefeld ganz weg.
Eine allen gerechte Grußformel könnte dann so lauten:
„Sehr geehrte:r Max Mustermann (Der Doppelpunkt ist für Screenreader die günstigste Schreibweise: Stichwort Barrierefreiheit!). Oder man macht es etwas weniger förmlich: „Hallo Max Mustermann“.
Weder für Versandetiketten noch für Dialogmails brauchen wir die Anrede wirklich. Auch die Lead-Generierung dürfte ohne angegebenes Geschlecht kaum erschwert werden. Es bleibt also noch die personalisierte Anrede im Newsletter – ein vergleichsweise unwichtiges Werbemittel, das mit einer allgemeinen oder informellen Grußformel einfach umgangen werden kann.
Welche der Möglichkeiten ihr am Ende nutzt, bleibt euch überlassen. Wir hinterfragen bei unseren Kund:innen stets: Was ist euer übergeordnetes Geschäftsziel? Wie trägt dieses Element dazu bei? Daher fragt euch: „Brauche ich das wirklich?“. Und wenn die Antwort ist: „nur für die personalisierte Grußformel“, dann fragt euch, ob diese wirklich unverzichtbar oder bloß Gewohnheit ist.
Und nicht vergessen: Im Zweifelsfall setzt ihr mit eurer Entscheidung (und wenig Aufwand) auch eine Image-Botschaft für euer Unternehmen. Denn wie heißt es so schön: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit!„
Eine inklusive Ansprache signalisiert Respekt und Modernität: Werte, die Kund:innen und Bewerber:innen heute erwarten. Wenn ihr geschlechtsneutral kommuniziert, stärkt das euer Markenimage, zeigt gesellschaftliche Verantwortung und fördert ein Zugehörigkeitsgefühl bei allen Zielgruppen.
Auch im Sinne der Barrierefreiheit verbessert sie die Nutzererfahrung, da Formulare und Texte verständlicher, zugänglicher und technisch konformer werden. Das Ergebnis: mehr Vertrauen, mehr Reichweite, mehr Relevanz.
Sie sorgt für Inklusion, rechtliche Sicherheit und ein respektvolles Nutzererlebnis. Personen, die sich nicht in den binären Kategorien wiederfinden, werden so nicht ausgeschlossen – das stärkt das Vertrauen in eure Marke.
Empfohlen sind geschlechtsneutrale oder personalisierte Grußformeln wie „Guten Tag Max Mustermann“ oder „Hallo Max Mustermann“. Auch der Doppelpunkt in „Sehr geehrte:r“ ist laut W3C am besten lesbar für Screenreader.
Laut Urteilen wie dem des Landgerichts Frankfurt besteht eine Pflicht zur geschlechtsneutralen Ansprache. Sie leitet sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Persönlichkeitsrechten ab.
Studien zeigen, dass Formulare mit weniger Pflichtfeldern und inklusiver Sprache höhere Abschlussraten haben. Nutzer:innen empfinden sie als moderner und vertrauenswürdiger.